Dr. med. KI - Künstliche Intelligenz in der Medizin

Dr. med. KI - Künstliche Intelligenz in der Medizin

Transkript

Zurück zur Episode

00:00:00: Hallo zusammen, mein Name ist Kerstin Ritter. Schön, dass ihr bei dieser neuen Folge von Dr. med. KI dabei seid. Das heutige Thema ist "KI in der Nephrologie" und ich freue mich sehr über meinen heutigen

00:00:14: Gesprächspartner dazu, Marcel Naik. Marcel Naik ist Assistenzarzt in der Nephrologie in der Charité Universitätsmedizin, wo wir auch gerade hier sitzen,

00:00:23: und ist einer der ersten Teilnehmer des Digital Clinician Scientist Programms der Charité, das angehende Mediziner und Medizinerinnen darin unterstützt, zum Thema Digitalisierung und auch KI  in der Medizin zu forschen.

00:00:36: Marcel, woran forscht du in der Nephrologie und welche Rolle spielt KI dabei?

00:00:42: Genau, ich forsche in der Nephrologie seitdem ich hier angefangen habe, ich bin seit etwa 10 Jahren dabei, mache demnächst meinen Facharzt,

00:00:50: und Forschung betreibe ich im Bereich der Nierentransplantation. In unserer Abteilung haben wir eine Datenbank,

00:00:57: wo wir alle Transplantierten seit 1990 verwalten. Es ist eine klinischen Datenbank einerseits

00:01:05: und andererseits dann auch für Forschung genutzt. Und ich kenne diese Datenbank seit meiner Doktorarbeit 2006 etwa

00:01:13: und bin einer der wenigen Ärzte, der die halt auch abfragen kann. Und im Bereich der künstlicher Intelligenz

00:01:20: ist es eben so, dass aufgrund der künstlichen Intelligenz und der Computertechnik

00:01:25: sich neue Möglichkeiten entwickelt haben, statistische Dinge auszuprobieren und Modelle zu erstellen und Zusammenhänge zu durchleuchten. Was sind das für Daten? Seit 1990, da kommen

00:01:40: eine ganze Menge Daten zusammen, wahrscheinlich. Genau, von der Geschichte der Datenbank her ist es so, dass die seit 1999 klinisch verwendet wird, also sprich

00:01:49: seitdem ist es so, dass da auch alle Assistenzärzte und Ärzte in der Nephrologie, die eben mit Transplantierten zu tun haben,

00:01:56: Dinge eintragen. Da stehen einerseits Sachen drin, wie klinische Verläufe, Patient kommt zur Nachsorge zu uns in die Transplantationsambulanz

00:02:05: und da fragt man: "Wie geht's Ihnen seit dem letzten Mal?", findet dann raus, er war im Krankenhaus, weil er sich einen Knochen gebrochen hatte und

00:02:16: das Krankenhaus war möglicherweise auch nicht in der Charité, sondern irgendwo wohnortnah. So etwa ein Drittel unserer Transplantierten sind

00:02:24: über 100 km von uns entfernt, also wir haben ein großes Einzugsgebiet. Und es ist so, dass die Nachsorge bei uns im Zentrum erfolgt und teilweise dann auch in Zusammenarbeit mit dem vor Ort bestehenden Nephrologen.

00:02:38: Seit 1999 ist es so, dass alle Transplantationen, die hier bei uns durchgeführt werden, dann auch in dieser Datenbank erfasst sind

00:02:48: und die Daten davor, so seit 1990, sind nachgepflegt.

00:02:55: Wir hatten ja schon 1999 Patienten, die schon 9 Jahre transplantiert sind und diese Daten wurden nachgetragen. Wie standardisiert sind die Daten? Inzwischen deutlich standardisierter als noch 1999.

00:03:10: Bis zum Jahr 2005/2006 war es so, dass man Handeinträge in der Datenbank vornehmen konnte,

00:03:18: was man auch vor allem bei Laborwerten sieht. Da gibt's dann auch Tippfehler, bei Kreatinin z.B. Kreatinin mal mit zwei i, mal mit 2 n. Da gibt's wilde Schreibweisen.

00:03:30: Das ist inzwischen unterbunden und über Auswahllisten kann man nur noch ausgewählte Bezeichnungen verwenden.

00:03:40: Andererseits ist es auch so, dass unser Datenbank-Krankenhaus-Informationssystem mit dran hängt,

00:03:47: im Sinne von: man muss die selbe SAP Kennzahlen-Nummer eintragen, in der Datenbank, und dann

00:03:53: weiß unsere Datenbank, wo sie in SAP entsprechend suchen muss und Laborwerte, die wir hier aus dem Haus aus bestimmen, entweder von Station oder aus dem ambulanten Bereich,

00:04:02: die werden dann automatisch mit eingezogen. Sind das immer die gleichen Laborwerte oder werden auch unterschiedliche Laborwerte erhoben, so dass man dann für einige Personen bestimmte Laborwerte hat, für andere aber nicht?

00:04:13: Im Großen und Ganzen im Bereich der Nierentransplantation gibt es Laborwerte, die für alle wichtig und gültig sind, eben z.B. Kreatinin, als Nierenparameter im Blut.

00:04:23: Dann gibt es auch Proteinurie, also Protein im Urin als Mengenangabe oder als Streifentest. Da gibt es auch noch normierte Bezeichnungen für.

00:04:33: Die Patienten haben alle Immunsuppression, wo man dann entsprechend den Spiegel an Immunsuppression im Blut misst,

00:04:41: das sind so die Sachen, die quasi bei allen Patienten vorkommen. Aber dann gibt's natürlich auch speziellere Sachen, wie bestimmte Virus-Geschichten;

00:04:51: Manche Patienten sind Jäger im Umland und essen halt dann auch mal Wild und

00:04:58: das kann zu Hepatitis E führen, sodass die dann auch mal ein Hepatitis E Screening bekommen und solche Sachen und das ist halt nicht serienmäßig bei einem Transplantierten. Okay, das wird danach extra codiert in den Daten. Genau.

00:05:09:

00:05:10: Wie viele Leute habt ihr da mittlerweile eingeschlossen? In unserem Zentrum werden etwa 3300 Patienten behandelt. In unserem Zentrum heißt an allen drei Standorten,

00:05:25: wobei die Hauptstandorte hier in Mitte und in Virchow sind.

00:05:29: In den 20 Jahren seit 1999 sind es etwa 3400 Patienten, 3300 Patienten, in der Größenordnung.

00:05:37: Okay, das ist ja ne ganze Menge. Und bei allen wurde eine Nierentransplantation vorgenommen? Genau, wobei im Virchow, das ist der größere Transplantationstandort, da gibt's dann auch Lebertransplantationen oder

00:05:49: noch andere Organe zusätzlich zur Niere bei manchen Patienten. Niere-Pankreas wird z.B. gerne bei Diabetikern mitgemacht

00:05:58: und das haben wir hier in Mitte nicht, das ist dann eher im Virchow. Und das sind dann auch noch mehr. 3400 umfasst nur die Nierentransplantierten und

00:06:09: das ist der Fokus.

00:06:13: Wie lange schaut ihr euch den Verlauf von diesen Leuten an? Habt ihr die Leute, die ihr 1990 schon eingeschlossen habt, habt ihr immer noch im Verlauf von denen, teilweise?

00:06:22: Es ist so: die Patienten unterschreiben im Rahmen des Behandlungsvertrags. Von der Gesamtaufmachung ist es so, der Patient, der ist dialysepflichtig,

00:06:33: wird dann vom Dialyse-Arzt oder knapp bevor eine Dialyse macht, in unser Zentrum verwiesen und dann stellt sich die Frage: soll er transplantiert werden oder nicht?

00:06:42: Dann durchläuft er so eine Art Eignungscheck, also spricht, es werden verschiedene Untersuchungen gemacht, um herauszufinden, ob er transplantiert werden kann oder nicht.

00:06:54: Voraussetzungen sind einerseits operative Dinge, dass man eben die Niere, die kommt ja ins kleine Becken,

00:07:00: dass man die Niere, die Gefäße anschließen kann an den Körper. Und dann muss natürlich, wenn das Blut in die Niere fließt, auch noch genug Blut übrig sein für das restliche Bein, das dann dahinter kommt.

00:07:12: Das sind die Voraussetzung von der chirurgischen Seite, die man sich anguckt. Dann ist es auch so, dass die Patienten Immunsuppression bekommen, ihr Leben lang.

00:07:22: Das heißt, sie dürfen jetzt auch keine schweren infektiösen Erkrankungen haben, Tuberkulose oder HIV, Hepatitis und so. Das muss man speziell gesondert prüfen.

00:07:32: Nach solchen Sachen schauen wir und nach Gewebseigenschaften. Dann ist eben auch immer die Frage: gibt's jemand in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis, der eine Niere spenden würde als Optionen einer Lebensspende?

00:07:44: Prinzipiell muss man auch sagen, eine Lebensspende hat den charmanten Vorteil, dass man da auch den Spender kennt und den Spender entsprechend vorher untersuchen kann,

00:07:52: dass das alles gut passt und da kann man dann entsprechend gut ausgeschlafen diese Transplantationen durchführen.

00:08:00: Das sind erstmal die Voraussetzungen, wie der Patient Kontakt mit uns im Zentrum bekommt.

00:08:06: Im Rahmen dessen muss er auch die Einwilligung erklären, dass er in dieser Datenbank eingepflegt wird

00:08:14: und dass seine Daten dann auch anonymisiert bzw. pseudonymisiert für die Forschung verwendet werden.

00:08:20: Und in dieser Datenbank, das ist einerseits ein Forschungsdatenbank aber andererseits auch eine klinische Datenbank,

00:08:27: da werden dann diese Verläufe mit erfasst. Der Patient kommt dann nachdem er transplantiert ist in unsere Ambulanz.

00:08:34: Am Anfang relativ engmaschig, einmal die Woche oder alle zwei Wochen,

00:08:39: da wird dann geguckt, wie es ihm geht, wie er zu Hause zurechtkommt,

00:08:45: ob es irgendwelche Infektionen gibt. Fieber ist immer ein wichtiges Warenzeichen aufgrund der Immunsuppression, die am Anfang besonders hoch ist,

00:08:53: kann schnell mal zu einer Sepsis kommen oder zu einem schwerwiegenden Infekt,

00:08:58: den man halt rechtzeitig erkennen muss. Andere Problematiken sind im Langzeitverlauf auch Krebsentstehung.

00:09:05: Der Patient muss einmal im Jahr zum Hautarzt gehen und man muss halt nach Krebs suchen

00:09:11: und wenn man einen gefunden hat, dann entsprechend auch frühzeitig behandeln.

00:09:16: Welche Rolle spielen Parameter von dem Organ, das gespendet wird?

00:09:22: Geht das auch in die Datenbank rein, also ist das noch mal so ein extra Punkt? Genau, in dieser Datenbank sind einerseits Informationen zur Demografie des Empfängers,

00:09:32: also wann ist er geboren, welches Geschlecht hat er, was für eine Grunderkrankung hat er gehabt, seit wann macht er Dialyse, wo wohnt er,

00:09:40: was jetzt für klinische Modellberechnung nicht wirklich wichtig ist in dem Zusammenhang, aber das sind die demografischen Daten des Empfängers. Dann gibt es auch dieselben für den Spender: wie alt war der Spender?

00:09:54: War das eine Lebensspende, war dass eine Hirntodspende? Woran ist der Spender verstorben? Wie war sein Kreatinin gewesen zum Zeitpunkt der Spende und

00:10:03: wo wurde gespendet, sprich wo ist der Patient verstorben? Das sind so die Sachen die dort drin stehen, Größe und Gewicht vom Spender auch.

00:10:12: Dann die Daten zum Transplantat selbst, also

00:10:15: ganz banal: ist es eine Niere, die gespendet wurde oder ist es eine Leber oder was auch immer. Dann Gewebseigenschaften stehen drin, vom Spender und vom Empfänger

00:10:24: und verschiedene virologische Parameter.

00:10:29: Nur ganz kurz: wie werden die Gewebseigenschaften quantifizieren? Die Gewebseigenschaften, das ist jetzt im Bereich der Nierentransplantation so, da wird das HLA-System des Patienten und des Empfängers

00:10:42: untersucht. Das macht bei uns das HLA-Labor, das in Virchow sitzt.

00:10:47: Am Anfang werden einmal diese Gewebseigenschaften komplett analysiert, bis ins kleinste Detail, soweit man das heutzutage kann

00:10:56: und diese Gewebseigenschaften werden an Eurotransplant gemeldet.

00:11:00: Und in Eurotransplant werden alle potentiellen Empfänger des gesamten europäischen Raums, also sprich Benelux, Deutschland, Kroatien

00:11:10: Slowenien erfasst,

00:11:13: die Blutgruppe steht auch mit drin. Und man guckt, wenn sich ein Spender auftut, wird er entsprechend auch anhand der Gewebseigenschaften analysiert

00:11:23: und dann wird ein sogenanntes Matching durchgeführt, sprich man guckt nach möglichst guten Übereinstimmungen.

00:11:29: Dann gibt es einen mehr oder weniger kompliziertes Punktesystem. In diesem Punktesystem ist einerseits die Dauer der Dialyse Zeit enthalten,

00:11:38: andererseits die Gewebseigenschaften und damit einhergehend auch die Blutgruppeneigenschaften. Anhand dessen wird mit verschiedenen Punkt-Vergabekriterien ein Ranking erstellt

00:11:52: und dann wird das Transplantationszentrum darüber informiert, dass es da ein Spender gibt und

00:11:57: der Empfänger namens sowieso ist dann bei uns in dem Zentrum gemeldet und ist halt der erste an dieser Stelle. Und dann wird gefragt: transplantieren oder nicht transplantieren?

00:12:08: Das passiert dann meistens nachts und da muss man dann den Dialyse-Arzt anrufen und fragen, ob der Patient transplantabel ist oder kann ja auch sein, dass der gerade im Krankenhaus ist, wegen eines Knochenbruchs oder etwas anderes.

00:12:20: Und wenn das aber der Fall ist, dass er transplantabel ist, wird er eingestellt. Mit dieser Datenbank, was versucht ihr genau zu machen? Wollt ihr vorhersagen...?

00:12:30: Mit dieser Datenbank versuchen wir verschiedene Dinge zu machen. Das was ich jetzt in meinem Projekt mache, für das ich auch gefördert werde vom BIH (Berlin Insitute of Health),

00:12:38: ist es so, dass wir ein Vorhersagemodell entwickeln möchten.

00:12:43: Das Problem grob umrissen ist: bei einer Nierentransplantation gibt es sehr viele Faktoren, die über den Erfolg von Transplantation Aussagen treffen oder auch nicht.

00:12:58: Wir haben viele viele Einflussparameter, die möglich sind und dass auch über den Langzeitverlauf von Jahren und Jahrzehnten. Wir möchten halt herausfinden,

00:13:07: ist es so, dass bei Herrn Müller das Transplantat in fünf Jahren aufhört zu arbeiten, also hat er ein hohes Risiko für ein Transplantat-Versagen, für ein dauerhaftes,

00:13:16: oder hat er das nicht.

00:13:18: Das wollen wir eben anhand dieser ganzen Daten, die wir über 20 Jahre gesammelt haben, vorhersagen und damit dann neuronale Netze und verschiedene Modelle berechnen,

00:13:34: um zu gucken, wie das Risiko für den individuellen Patienten ist. Aus der Literatur das früheren Studien weiß man wahrscheinlich schon

00:13:42: grob, was wichtig ist. Wahrscheinlich ist höheres Alter nicht so gut. Genau, das Alter ist wichtig, dann ob es eine Lebendspende ist oder nicht, verschiedene virologische Eigenschaften können wichtig sein, ob er

00:13:55: mal einem Virus ausgesetzt war oder nicht,

00:13:58: das Spenderalter, das Geschlecht, die Grunderkrankung kann wichtig sein und dann natürlich auch der Kreatinin-Verlauf über die Zeit.

00:14:07: Bei uns ist es auch so, wenn das Kreatinin sich verschlechtert,

00:14:12: kann es sein, dass wir den Patienten dann auch einbestellen müssen und stationär aufnehmen, um eine Nierenbiopsie durchzuführen

00:14:20: und der Pathologe sagt uns dann, ob da eine akute Abstoßung vorliegt, die man behandeln müsste.

00:14:26: Bei akuten Abstoßung gibt es einerseits die zellulär-vermittelten und andererseits dann im Langzeitverlauf die Antikörper-vermittelten.

00:14:32: Für die Antikörper-vermittelten Abstoßungen haben wir leider immer noch nicht so richtig gute Behandlungsmöglichkeiten.

00:14:38: Bei einem Kreatininanstieg muss man manchmal eben eine Nierenbiopsie durchführen und die ergibt dann weitere Aufschlüsse darüber, wie lange das Transplantat noch funktioniert.

00:14:52: Dadurch, dass man sehr viele Einflussmöglichkeiten hat,

00:14:57: bieten sich die Sachen, die man über künstliche Intelligenz versuchen kann zu ergründen, an.

00:15:05: Wenn ihr dieses Vorhersagemodell trainieren wollt, nehmt ihr einfach alle Daten, die ihr in dieser Datenbank habt oder wählt ihr das vorher so ein bisschen aus, je nachdem wovon ihr selber wisst, was vielleicht wichtig ist oder was irrelevant ist?

00:15:18: Genau, vom ganz banalen Vorgehen her ist es so: wir haben eine Kohorte definiert.

00:15:25: Das bedeutet, der Patient muss über 18 sein, zum Alter der Transplantationen. Einfach weil wir nur mit Patienten arbeiten, die über 18 sind. Die Patienten unter 18 werden in der Kindernephrologie behandelt,

00:15:38: die zwar auch diese Datenbank verwenden, aber nicht so pflegen wie wir.

00:15:44: Das Thema Follow-up ist auch sehr wichtig. Also bei Patienten, die längere Zeit nicht bei uns vorstellig sind, müssen wir herausfinden, was ist aus denen geworden. Sind die zu Hause verstorben,

00:15:54: funktioniert das Transplantaten noch? Sind die einfach nur bei ihrem ambulanten Nephrologen, weil der Weg zu uns zu weit ist und die sind schon 20 Jahre transplantiert und brauche jetzt nicht mehr eine engmaschige Nachsorge.

00:16:04: Das sind Dinge, die wir neben der Arbeit noch entsprechend

00:16:11: checken müssen. Was für ein Follow-up habt ihr definiert? Reichen 5 Jahre oder müssen es zehn Jahre sein?

00:16:18: Diese Transplantationskohorte muss zwischen 1999 bzw. 1.1.2000 bis 31.07.

00:16:28: 2019 transplantiert worden sein müssen. Entsprechen sind die Leute, die länger transplantiert mit einem längeren Follow-up dabei, wie das eben so die Natur der Sache ist bei Studien.

00:16:39: Als Endpunkt haben wir definiert terminales Transplantatversagen, das ist auch eines der Felder in unserer Datenbank.

00:16:48: Und terminales Transplantatversagen heißt, der Patient muss dann dauerhaft Dialyse machen.

00:16:53: Klammer auf, er kann dann auch im Verlauf wieder neu transplantiert werden, aber hat erstmal ein Transplantatversagen gehabt.

00:16:59: Da ist so, dass wir

00:17:03: diese Daten alle nutzen, um Modelle zu errechnen. Wir nutzen 75% für das Trainingsset, also

00:17:15: das, woraus das neuronale Netz oder das Prädiktionsmodell

00:17:22: seine Schlüsse zieht und Zusammenhänge erlernt. Die 25%, die es nicht kennt,

00:17:29: die versucht es dann vorherzusagen. Dann schaut man sich die Unterschiede an, die daraus entstehen und bei einer sehr guten Übereinstimmung heißt es,

00:17:40: dass man ein relativ gutes Netz hat, also ein relativ gutes Vorhersagemodell hat.

00:17:45: Habt ihr eine gewisse Erwartung, was für euch eine gute Klassifikationsgenauigkeit wäre?

00:17:52: Ja, es gibt Vorarbeiten aus Paris. Es gibt ein große Studiengruppe, Paris Transplant Group,

00:18:00: die haben das sogenannte iBox-Modell entwickelt.

00:18:03: Die schauen sich an die Parameter bis zum ersten Jahr. Nach einem Jahr haben die Patienten dort eine Nierenbiopsie. Anhand der Daten, die bis zu diesem einen Jahr erhoben worden sind, kann man für bis zu 7 Jahre nach diesem einen Jahr

00:18:16: Transplantatversagen vorhersagen. Das klinische Grundproblem ist einfach, dass Patienten

00:18:22: 5 % pro Jahr, nach zwei Jahren beginnt das Problem, dass eben 5 % aller Patienten ein Transplantatversagen entwickeln und wir wissen nicht, wer gehört zu diesen 5%. Ist das jetzt Herr Müller oder ist das Frau Schmidt oder

00:18:37: was unterscheidet Herrn Müller von Frau Schmidt, abgesehen vom Geschlecht und wie ist es da mit dem Transplantation-Outcome. Da fehlen uns Modelle und die Pariser haben so ein erstes Modell entwickelt.

00:18:48: Es hat eine Fläche unter der Kurve, was einem so ein bisschen die Güte vorhersagt, von rund 0,83 bis 0,87.

00:18:58: Das charmante an diesem Modell ist, die haben das auch an verschiedenen anderen Kohorten getestet

00:19:02: und in Frankreich ist es so, dass sie ein zentrales Transplantationsregister haben, sprich die haben deutlich mehr Daten als wir und eben auch über

00:19:11: ganz Frankreich verteilt. Wir versuchen jetzt anhand unserer Daten in Mitte ein Modell zu entwickeln, das wir dann auf das Virchow übertragen möchten, was innerhalb unserer selben Abteilung ist, aber

00:19:24: bis 2015 war das ein anderer Chef und eine andere Herangehensweise an Transplantation, sodass wir da eine gewisse interne, externe Validierung durchführen können.

00:19:34: Am Ende möchten wir ein Gesamtmodell daraus entwickeln. Das Modell von Frankreich könnt ihr ja auch nicht einfach hier auf diese Daten übertragen, die werden ja wahrscheinliche ganz andere Parameter haben.

00:19:46: Genau, das Problem ist einerseits, dass wir da so im Bereich mit medizinischen Daten haben, ist die Interoperabilität.

00:19:53: Die Daten in Frankreich,

00:19:56: die bestimmt dort auch ein Kreatinin und haben letztenendes ähnliche Daten wie wir, aber die kann man nicht einfach zu uns exportieren und übertragen, weil die unter ihren Laborwerten andere Dinge verstehen als wir, obwohl das derselbe Parameter ist.

00:20:10: Der kann anders bestimmt sein, die Labormethode kann anders sein und der Teufel steckt eben im Detail und es gibt viele kleine Fallstricke, die einen daran hindern, dass man es übertragen kann.

00:20:23: Was für Algorithmen werden jetzt z.B. in Frankreich benutzt oder hier? Du hast schon von neuronalen Netzen gesprochen.

00:20:30: Was wir im Moment hier gemacht haben: wir haben einerseits ein KNN-Modell entwickelt

00:20:38: und wir haben einen random forest Plot aus diesem Daten entwickelt. Das war jetzt im Moment erstmal nur aus den demografischen Daten, also wir schauen im Moment erstmal nur auf den Zeitpunkt der Transplantation

00:20:51: bzgl. des Outcomes.

00:20:52: Nur vom Empfänger oder auch vom Spender? Auch vom Spender, also wir haben demographische Daten vom Spender, Empfänger und vom Transplantat.

00:21:02: Der nächste Schritt wird eben sein, dass wir Daten aus dem Langzeitverlauf mit einbauen,

00:21:08: sprich Laborwerte wollen wir uns angucken, immunologische Eigenschaften möchten wir uns angucken. Die Patienten werden auch im Verlauf immer mal wieder untersucht,

00:21:18: ob neue Antikörper entstanden sind, vor allem auch Antikörper, die gegen das Transplantat gerichtet sind, weil die Immunsuppression dann vielleicht doch nicht so gut genommen wurde.

00:21:27: Dann auch die Medikation im Verlauf. Manche Patienten haben sogenannte CNI-Toxizität, also

00:21:35: die Nebenwirkungen, die von Immunsuppression her kommen. Da gibt es Calcineurininhibitoren, Ciclosporin oder Tacrolimus,

00:21:45: die auch Schäden an der Niere verursachen können, was auch auf lange Sicht das Transplantat kaputt macht. Und die Biopsiedaten wollen wir im Langzeitverlauf

00:21:54: verwenden. Auf diese Weise wollen wir noch ein bisschen Mehrdimensionalität hineinbringen, gerade was den Langzeitverlauf betrifft und eben nicht nur den Zeitpunkt

00:22:04: zur Transplantation. Das Organversagen oder Transplantationsversagen,

00:22:11: da gibt es unterschiedliche Ursachen für. Wollt ihr auch versuchen, diese unterschiedlichen Ursachen zu dekodieren oder ist es im Moment ein rein binäres Problem? Im Moment ist es erstmal ein binäres Problem.

00:22:20: Wir wissen prinzipiell oder wir glauben zu wissen oder zumindest ist einen Grund angegeben, warum das Transplantat versagt,

00:22:27: ein Hauptgrund. Einer meiner Kollegen hat da auch gerade alle Transplantatversagen noch mal schön aufgedröselt und hatte eben festgestellt, dass halt auch

00:22:37: vorübergehende Probleme Einfluss haben und das es meistens mehrere Schläge ins Kontor sind, bis das Transplantat versagt und

00:22:47: der Grund, den wir da angegeben haben, dass ist letzten Endes nur der finale Hauptgrund, der das Fass zum Überlaufen bringt, aber

00:22:52: es gibt dann teilweise auch Abstoßungen, Jahre davor, die auch irgendwie ins Gewicht fallen und solche Sachen möchten wir aufgrund der Biopsieergebnisse in dieses Modell mit einbauen. Rechnest du damit,

00:23:06: dass das irgendwann in der Klinik angewendet wird, euer prädiktives Modell, ist das deine Hoffnung? Meine Hoffnung oder meine Erwartung ist, dass wir

00:23:16: einerseits besser vorhersagen können, ob Herr Müller im Alter von 75 und vor 5 Jahren transplantiert z.B. in den nächsten 5 Jahren

00:23:27: zu 100 % ein Transplantatversagen haben wird. Also sprich, ist es sehr wahrscheinlich?

00:23:33: Und wenn es sehr wahrscheinlich ist, dass wir den dann engmaschiger in unserer Obhut haben als jetzt vielleicht Frau

00:23:40: Meyer, die 20 Jahre alt ist, ihre Immunsuppression zuverlässig nimmt und sonst einen relativ unkomplizierten Verlauf hat, seit ihrer Transplantation im Alter von 10 Jahren.

00:23:51: Dass wir da einfach so eine Art Selektionierung hinsichtlich der Engmaschigkeit der Nachbetreuung erreichen können.

00:24:01: Das andere Problem ist, dass im Verlauf uns Patienten verloren gehen

00:24:09: und dass wir da dann besser sehen können und stratifizieren können,

00:24:16: ob wir den jetzt wieder zurückholen müssen.

00:24:21: Viele Patienten sind ja auch einfach bei ihrem niedergelassene Nephrologen und im niedergelassenen Bereich gibt es nicht so viele Transplantierte. Und ohne dem Kollegen jetzt zu nahe zu treten,

00:24:32: er hat dann vielleicht ein oder zwei Transplantierte in seiner Nachsorge und wir haben halt 1000,

00:24:38: sodass wieder möglicherweise ein bisschen bessere Expertise haben.

00:24:43: Dahingehend wollen wir auch Telemedizin betreiben und es ist jetzt so, dass Patienten die transplantiert sind,

00:24:50: auch ein App auf ihr Handy bekommen und ihre Vitalwerte, also sprich Blutdruck, Puls, Gewicht, Temperatur

00:24:59: uns ins Kliniksystem übertragen können und wir sehen dann jeden Tag uns die Werte an

00:25:04: und wenn etwas aus dem Ruder läuft, sprich der Patient nimmt wahnsinnig Gewicht zu oder hat auf einmal Fieber. dass wir den dann telefonisch kontaktieren können

00:25:13: und dann entsprechend Maßnahmen einleiten können. Die Maßnahmen reichen von

00:25:18: "gehen Sie zum Hausarzt und lassen sich mal Blut abnehmen " bis hin zu "kommen Sie in die Rettungsstelle und wir nehmen sie stationär auf", sodass man die Probleme frühzeitig erkennt und dadurch dann Krankenhausaufenthalte und ungünstige Verläufe minimieren kann.

00:25:30: Das soll in das Modell dann auch

00:25:33: mit einberechnet werden. Wird Telemedizin gut von den Patienten und Patientinnen angenommen oder sind sie eher skeptisch? Im Großen und Ganzen wird es gut angenommen, gerade auch die Jüngeren, die ja fast alle inzwischen ein Smartphone haben,

00:25:46: nehmen das sehr gerne an und freuen sich, dass man jetzt Laborwerte in seinem Handy sieht, die zu einem gehören, oder auch den eigenen Medikamentenplan.

00:25:54: Dadurch, dass sie lange Zeit in Dialyse waren, sind sie auch noch gewohnt, täglich Gewicht zu messen und täglich Blutdruck zu messen.

00:26:03: Wir wollen mit der Telemedizin einerseits eine verbesserte Kommunikation erreichen. Der niedergelassene Hausarzt, sprich Nephrologe des Patienten, ist auch in dem System mit eingebunden.

00:26:14: Der Plan ist, auf neudeutsch, "Awareness" zu schaffen, sprich der Patient soll um seine Erkrankung wissen, um die Zusammenhänge wissen

00:26:23: und entsprechend richtig danach handeln, im Sinne von regelmäßig seine Immunsuppression nehmen, gewisse Gefahren im Alltag vermeiden

00:26:33: und mit seiner Erkrankung umgehen können.

00:26:38: Therapeutisch gibt es da neue Ansätze im Hinblick auf Bewegung und die ganzen verhaltenstherapeutischen Dinge, die man da mit einbauen kann.

00:26:48: Hat der Patient auch selber Zugang zu den Daten? Ja, das läuft alles über den Patienten und der Patient muss für den Datenaustausch mindestens einmal bei uns und einmal bei seinem niedergelassenen Hausarzt

00:27:00: entsprechend die Berechtigung erteilen und kann auch jederzeit die Berechtigung in der App zurücknehmen.

00:27:08: Neben den Laborwerten, die der Patient sieht, sieht er alle Vitalwerte, die er uns geschickt hat.

00:27:14: Ein weiterer Aspekt ist, es gibt ja auch Wagen und Blutdruckmessgeräte, die mit dem Computer eine Schnittstelle haben, dass man solche Geräte in unser System mit einbaut

00:27:27: oder das direkt automatisch ausgewertet wird. Ist eure Idee, dass das dann auch

00:27:32: mehr oder weniger in realtime ausgewertet wird? Also die Daten kommen rein... Genau, das soll dann in dieses Risikomodell mit einberechnet werden. Wir wollen mit der Telemedizin akute Veränderung wahrnehmen einerseits

00:27:46: und andererseits dann auch drauf reagieren. Wenn der Patient auf einmal Gewicht zunimmt, 3 Kilo, rufen wir den an und fragen, ob er einfach nur

00:27:54: mehr gegessen hat, die letzte Zeit, und Substanz zugenommen hat oder ob er merkt, ich pinkel nicht mehr so gut und meine Beine werden dick und ob man dann entsprechend die Furosemid-Dosis erhöhen muss oder

00:28:07: ob er jetzt akut Fieber hat. Am Ende wollen wir den Patienten möglichst zu Hause halten und

00:28:15: die Dinge, die wir vertreten können von uns aus regulieren, sprich: Medikamente ein bisschen hoch oder runter geht meistens noch, aber wenn der Patient Fieber hat

00:28:25: muss er möglicherweise dann auch stationär aufgenommen werden und es muss genauer geguckt werden. Vielen Dank für das spannende Gespräch. Ich bin sehr gespannt auf deine Ergebnisse.

00:28:34: Vielen Dank auch an euch, dass ihr dabei wart. Bis zum nächsten Mal! Tschüss. Ciao.

Über diesen Podcast

In der Podcastreihe "Dr. med. KI" von Charité und KI-Campus geht es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Medizin und Gesundheitswesen. Von grundlegenden technischen Funktionsweisen über Diagnosemethoden bis hin zur personalisierten Behandlung wird erkundet, wie KI die medizinische Landschaft verändert. In Gesprächen mit Expert:innen, Ärzt:innen und Technologiepionieren wird in Themen wie Maschinelles Lernen, medizinische Bildgebung, Datenanalyse und Ethik eingetaucht. Begleite uns auf dieser Reise, um zu verstehen, wie KI nicht nur die Präzision der Medizin verbessert, sondern auch die Art und Weise, wie wir für unsere Gesundheit sorgen, grundlegend transformiert.

Wer mehr über KI erfahren möchte, findet auf dem KI-Campus – Der Lernplattform für Künstliche Intelligenz spannende Lernangebote in unterschiedlichen Themenfeldern.

www.ki-campus.org

von und mit KI-Campus

Abonnieren

Follow us